B8-Gipfel in Berlin

Alexander Potetjurin: Überblick über die Gesamtlage

24. März 2010
Von Alexander Potetjurin
Der 31. Januar 2009 war ein besonderer Tag für mich und sieben andere Stipendiaten der Böll-Stiftung. Wir fanden im Berliner Stadtteil Friedrichshain zusammen, um am ersten Basisseminar im Rahmen des Stipendienprogramms „Medienvielfalt, anders“ teilzunehmen. Dieses Programm zielt auf StipendiatInnen mit Migrationshintergrund und interkultureller Erfahrung, die Journalisten werden möchten.


An diesem Wochenende ging es vor allem darum, verschiedene Stil- und Gestaltungsformen zu erlernen und einen Zugang zur Produktion des eigenen Beitrags zu finden. Dementsprechend brauchte ich zunächst einige Zeit, bis ich, zwischen Backsteinhäusern herumirrend, den Eingang ins Stiftungsarchiv fand. Der Weg eines Migranten in den Journalismus erwies sich dabei als wahrhaftig steinig und unübersichtlich. Umso größer war dann die Freude, als ich im dunklen Innenhof das vertraute, leuchtende Schild der Heinrich-Böll-Stiftung entdeckte.

Die Veranstaltung wurde von Ute Hempelmann geführt, einer freien Journalistin aus Hamburg. Am ersten Abend wurden Themen behandelt wie ausführliche Recherche, journalistische Ethik und Einsatz von Medien. Dann sollten wir uns ein eigenes Thema suchen und der Gruppe vortragen. Eine ganz praktische Übung, denn die Medientrainerin nahm dafür die Rolle der Chefredakteurin ein. Sie nahm die verschiedenen Vorschläge kritisch unter die Lupe und gab uns u.a. Tipps, wie wir unsere Ideen überzeugender vortragen könnten. Die wichtige Erkenntnis an diesem Abend: JournalistInnen folgen nicht nur ihrer eigenen Neigung bei der Suche und bei der Gestaltung ihrer Beiträge. Sie müssen auch permanent Bedürfnisse der AbnehmerInnen berücksichtigen. Und die variieren von Medium zu Medium sehr stark.

Am nächsten Seminartag versuchten wir uns an einem Hörfunkinterview. Dazu mimten wir gegenseitig die Journalisten und die Interviewten. Die journalistische Herausforderung hier war vor allem, eine freundliche und persönliche Atmosphäre zu schaffen und das Gespräch souverän zu leiten. Ebenso schwierig: Die Fragen so zu formulieren, dass sie den Kompetenzbereich des Befragten nicht überschreiten.

Später ging es richtig zur Sache, wir verfassten einen Text. Zur Wahl standen verschiedene Themen, darunter: Cem Özdemir und sein im vorigen November erschienenes Buch. Die schöpferische Atmosphäre im PC-Zimmer war förmlich zu spüren, die Musik der Tippgeräusche dauerte mehr als vier Stunden. Stand mir und anderen StipendiatInnen am Anfang noch Verzweiflung und Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben, so strahlten wir beim imaginären Redaktionsschluss einheitlich Zufriedenheit aus.

Zu guter Letzt präsentierten wir am Sonntag unsere Werke. Obwohl die Mehrheit sich für das vorgegebene Thema entschieden hat, ähnelten sich die Artikel keinesfalls oder waren gar eintönig. Ein klares Bekenntnis zum Motto unseres Programms: Medienvielfalt. Es war alles dabei, angefangen bei einem romantischen Portrait bis hin zur bissigen Glosse.

Am Ende des Seminars stellte Ute Hempelmann zufrieden fest: „Ich sehe bei Euch allen ein journalistisches Talent. Arbeitet weiter an Euch und Ihr werdet es schaffen. Die Nachfrage nach Journalisten mit interkulturellen Erfahrung ist da, sie wird auch in der Zukunft weiter wachsen“.

Schöner Schlusspunkt. Den ich mit einem Erlebnis aus dem Zug, mit dem ich zurück nach Hause fuhr, ergänzen kann: In meiner Nähe unterhielt sich der Schaffner lebhaft mit zwei Kindern. Die hatten sich erkundigt, ob man dem Lokführer bei der Arbeit zusehen dürfte. Darauf antwortete der Schaffner: „Natürlich geht das. Leider trauen sich nur wenige, danach zu fragen. Viel zu wenige.“

Deshalb mein persönlicher Aufruf an alle Interessenten am Medienprogramm der Heinrich-Böll-Stiftung: Traut Euch! Bewerbt Euch!

Medienvielfalt, anders: Junge Migrantinnen und Migranten in den Journalismus

Mit ihrer gemeinsamen journalistischen Nachwuchsförderung ermöglichen die Heinrich-Böll-Stiftung, die tageszeitung «taz», radioeins vom Rundfunk Berlin-Brandenburg – rbb, die Agentur «Zum goldenen Hirschen» und die Deutsche Welle interessierten jungen Migrantinnen und Migranten einen Einstieg in den Journalismus. mehr »

» Stipendiat/innen berichten über Veranstaltungen im Begleitprogramm

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